Nachricht von:Werner Eberl
Thema:Interdisziplinarität
Erstellt am:28.05.2006


Hallo beisammen,

als vor mittlerweile 16 Jahren die Chaos-Gruppe den Status eines Vereins erlangt hat, war
es das Ziel der Gründungsmitglieder, der Chaosforschung ihre Interdisziplinarität zu
sichern. Diese schien in Gefahr, weil eine Bindung der Gruppe an eine Universität im
Klartext immer Bindung an einen Lehrstuhl bedeutet, und diese weniger oder noch weniger
Sinn dafür haben, dass ihnen andere Disziplinen vielleicht irgendwie reinreden. Bevor die
Chaos-Gruppe mit ihrem interdisziplinären Kolloquium "Chaos und Strukturbildung"
aufgetreten ist, galt es am Physik-Department der TUM als interdisziplinär, wenn
Kernphysiker mit Festkörperphysikern geredet haben.

Das Thema "Chaos" war damals in aller Munde, und fast jede Disziplin hatte etwas dazu zu
sagen und von dem, was die anderen sagen, zu profitieren.

Heute ist es etwas stiller geworden, was nicht unbedingt schlecht sein muss. Vieles an
speziellen Themen ist wieder in die Disziplinen zurückgekehrt, wo das meiste davon wohl
auch hingehört. Was bleibt, ist die Tatsache, dass es an keiner Uni einen Lehrstuhl für
Chaosforschung gibt (oder doch? Gibt es Hakens Synergetik-Lehrstuhl noch als solchen?),
aber es gibt Institute für komplexe Systeme etc. und Institutionen, die sich
Wissenschaftlern aus allen Disziplinen einen gemeinsamen Raum
geben.

Wo findet jetzt die Interdisziplinarität statt (die ja mehr sein muss als schlichte
Multidisziplinarität)? Genaugenommen in den Köpfen. In den Köpfen derer, die sich
gleichzeitig mit den Ergebnissen oder Bemühungen mehrerer Disziplinen befassen. Konkret
war das oft bei den Nachsitzungen mit den ReferentInnen in der Pizzeria. Ich möchte soweit
gehen und behaupten, Interdisziplinarität ist ein Gefühl, das stark dem Glücksgefühl
ähnelt.
Sowas wie die Überwindung der Getrenntheit (Fromm) oder der Dualität (vgl. z.B. die
letzten Logien des Thomasevangeliums).

In einer anderen Metapher: Es braucht eine Tanzfläche und es braucht Musik. Welche Musik
sollen wir spielen? Welche ist tanzbar? Wie wird getanzt? Einzeln, paarweise, Quadrille
oder Round Dance?
Andererseits kann man sich nicht zu sehr von der Musik abhängig machen, sonst hat man eine
neue Dualität: Tradition vs. Mode. 

Ich würde gerne von Euch hören, welche Bilder Euch zum Thema Interdisziplinarität
einfallen.

Viele Grüße,
Werner


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